Deprivationssyndrom

Als Deprivationssyndrom bezeichnet man die Gesamtheit der Symptome die durch eine reizarme Aufzucht entstehen und sich dann im späteren Leben, in einer komplexen und anregenden Umwelt zeigen. Deprivation bedeutet Reizmangel, Reizentzug.

Was passiert im Gehirn?

Das Gehirn ist im Gegensatz zu anderen, spezialisierten Organen im Körper wie Herz, Lunge oder Bauch-speicheldrüse für tausende von komplexen Funktionen verantwortlich. Es ist das Organ, das zwischen Gefühl, Gedanken und Verhalten vermittelt. Eine Idee, die Treppen zu laufen, beim Rennen zu schnaufen, eine Gefühlsregung, hungrig werden oder sich satt fühlen, Gewitter, verschiedene Menschen - all diese Erfahrungen und all ihre Reaktionen darauf werden durch das Gehirn gesteuert.

Das Gehirn enthält Milliarden Nervenzellen (Neuronen) - und jede wird von anderen Zellen unterstützt. Während der Entwicklung - von den ersten Bewegungen im Mutterleib bis zum 4. Lebensmonat - müssen all diese komplizierten Zellen zu speziellen Netzwerken organisiert werden.

Daraus gehen zahllose, kompliziert miteinander verbundene und hoch spezialisierte Systeme hervor. Diese Ketten und Netze von miteinander verbundenen Nervenzellen erzeugen die abwechslungsreichen Strukturen des Gehirns.

Die Nervenzellen im Gehirn übermitteln Informationen von einer Zelle zur nächsten, indem sie chemische Botenstoffe (Transmitter) freisetzten. Sie werden an spezialisierten Kontaktstellen von Neuronen, den Synapsen, ausgeschüttet. Die Botenstoffe binden nur an jene Rezeptoren des Folgeneurons, die die passende Form haben. Synaptische Verbindungen erzeugen Netzwerke, die aus Neuronenketten bestehen. Sie ermöglichen die gesamten Hirnfunktionen, darunter auch das Denken, Fühlen, Bewegen, Empfinden und Wahrnehmen.


Da sich das Gehirn zu einem Teil erst nach der Geburt unter dem Einfluss von Sinnesreizen entwickelt, kommt es durch das Fehlen von Sinnesreizen zu Störungen in der Hirnentwicklung. Zellen sterben ab, weil sie nicht stimuliert/gebraucht werden. Verbindungen können nicht hergestellt werden. Diese Defizite können verschiedenste Auswirkungen haben. Je nachdem welche Verbindungen, Netzwerke hergestellt werden konnten und welche nicht.

Welche Auswirkungen hat ein reizarmes Aufwachsen?

Die Auswirkungen die ein Deprivationssyndrom mit sich bringen KANN sind vielfältig. 

  • Die Anzahl und Vernetzungen der Nervenzellen sind reduziert und dadurch ist die Anpassungsfähigkeit des Hundes  eingeschränkt. Der Hund kann sich nicht so flexibel an neue Situationen oder Umweltbedingungen anpassen, wie ein Hund der nicht am Deprivationssyndrom leidet.
  • Die Hunde sind schnell überfordert. Sie können mit den vielen Reizen, die auf einmal in einer normalen Umgebung auf sie einprasseln, gar nicht umgehen. Sie können unwichtige, von wichtigen Informationen nicht herausfiltern. - Ein schönes Beispiel: Viele haben am Autospiegel ein Duftbäumchen oder ein Kreuz hängen. Sie sehen es aber nicht. Das Gehirn ist es gewöhnt dass das immer da hängt und es wird ausgeblendet. Würden Sie es stetig sehen, würde es sie nerven und vom Verkehr ablenken.
  • Vermeidungs- und/oder Fluchtverhalten gegenüber allem neuen/ unbekannten
  • Aggressionen können auftreten
  • Sie können nicht angemessen auf verschiedene Situationen reagieren. Sie reagieren über.
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Erlerntes wird schlecht oder nicht generalisiert
  • Die Hunde lernen langsamer
  • Zwangsstörungen

Wie gehe ich mit einem deprivierten Hund am besten um?

Ein deprivierter Hund ist am besten in einer ruhigen Gegend aufgehoben, weshalb ich empfehlen würde, einen solchen Hund nicht in die Großstadt integrieren zu wollen. Dem Hund tut man in den seltensten Fällen damit einen Gefallen. Die vielen Reize durch die vielen Menschen, den Straßenverkehr, die Geräusche usw. sind einfach zu überwältigend für einen solchen Hund. Er kann mit den vielen Reizen die auf ihn einprasseln nicht adäquat umgehen und daher ist er dauerhaft gestresst, was das Lernen unmöglich macht.

Wichtig ist, dem Hund die Möglichkeit des Lernens zu geben, ohne ihn zu überfordern. Wenn der Hund Angst hat, kann er nicht lernen. Man sollte ihn nicht zwingen etwas neues kennenzulernen wovor er Angst hat. Man muss ihm die Möglichkeit lassen, sich wieder zurückzuziehen wenn es ihm zuviel wird. Er sollte aber auch die Möglichkeit haben, im Schutz des Hundehalters die Sache zu untersuchen und kennenzulernen. Wenn der Hund freiwillig, in ihrem Schutz neue Dinge kennenlernt, und ihm dabei nichts passiert, haben sie zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Der Hund hat etwas Neues kennengelernt und er wird Ihnen wieder ein Stück mehr vertrauen.

Außerdem ist bei einem deprivierten Hund Ruhe, Geduld, das Kennen der Körpersprache, Know How in der Hundeerziehung und Empathie (Einfühlungsvermögen) vorteilhaft.

Zu sehen wann ein Hund Angst hat, sich einfühlen zu können, zu erkennen was er im Stande ist zu leisten und wie man ihn durch schwierige Situationen am besten führt, hilft dem Hund sich weiterzuentwickeln.

Gute Erfahrungen habe ich mit Tellington Touch, Massagen und Streicheln in ruhigen Situationen gemacht. Streicheln löst eine biochemische Hormonkaskade aus. Das Bindungshormon Oxytocin und das Glückshormon Dopamin sind nur zwei davon. Das heißt, man stärkt die Bindung und das Vertrauen.

Was Sie tun können, wenn ihr Hund Angst hat, lesen Sie hier: